Ehemetaphern für den Klassenkampf

Andrea D’Atri analysiert eine wechselvolle Verbindung. Erschienen in Neues Deutschland vom 09.03.2019

Bereits 1979 sprach die feministische Ökonomin Heidi Hartmann in einem Aufsatz von einer »unhappy marriage« – einer unglückliche Ehe – zwischen Marxismus und Feminismus. Wenn man so will, ist die argentinische Aktivistin An- drea D’Atri nun angetreten, hierfür eine Paartherapie anzubieten. Ihre Eheberatung hat die Form des Buches »Brot und Rosen« angenommen, das jüngst im Argument Verlag erschienen ist. Dort zeichnet sie die wechselvolle und widerspruchsreiche Geschichte der Verbindung feministischer Kämpfe und der Kämpfe gegen Ausbeutung nach.

Mit ihrer 2013 in Buenos Aires gegründeten Gruppe »Pan y Rosas« knüpft sie an einen Slogan aus der Gewerkschafterbewegung von 1911 an. Mittlerweile gehört die Gruppe zu den größten sozialistischen Frauenorganisationen weltweit, und ist zudem Gründungsmitglied der Partei Sozialistischer Arbeiter*innen. Man kann also davon ausgehen, dass sie weiß, worüber sie schreibt. Ihr Parforceritt durch die mehrere hundert Jahre Geschichte feministischer Kämpfe macht dies dann auch deutlich.

Der Fokus ist klar: Sie wirft einen Blick auf Frauen als Arbeiterinnen, mit eigenen Erfahrungen innerhalb der Arbeiter*innenbewegung und spezifischen Formen der Ausbeutung. Sie hilft uns dabei, Frauenkämpfe als Klassenkämpfe zu verstehen, und argumentiert so gegen die Abtrennung des Kampfes gegen Unterdrückung vom Kampf gegen Ausbeutung. Gerade in aktuellen Debatten um den scheinbaren Widerspruch zwischen Identitäts- und Klassenpolitik ist ihr Buch lehrreich.

Beginnend bei den Aufständen englischer Hausfrauen von 1709/10, die zusammen mit Minenarbeitern gegen ihre schlechten Lebensumstände protestierten, geht D`Atri weiter zur Französischen Revolution. Auch dort standen Frauen in der ersten Reihe: Delacroixs Gemälde »Die Freiheit führt das Volk« erzählt davon. Während der industriellen Revolution, entstand »erst die Kategorie der ›Arbeiterin‹«. Die frühe Arbeiter*innenbewegung wehrte sich gegen weitverbreitete Frauenarbeit. Argumente waren die Vermeidung billiger Konkurrenz durch Frauen, sowie der paternalistische ›Schutz der Familie‹.

D’Atri bettet die jeweiligen feministischen Theorien und Bewegungen klug in die jeweiligen historischen Epochen ein. Anhand vieler biographischer Erzählungen bedeutender sozialistischer Feministinnen wie Flora Trisán oder Alexandra Kollontai, die das Buch anschaulich machen, grenzt D’Atri ihre Form des Feminismus von bürgerlichen Spielarten des Feminismus und postmodernen feministischen Theorien ab. Während sie voll des Lobes ist für feministische Theoretiker*innen der Arbeiter*innenbewegung und die geschlechterpolitischen Liberalisierungen in der frühen Sowjetunion lobt, lässt sie an Theoretikerinnen wie Judith Butler kein gutes Haar. Sie präsentiere »die Utopie einer individuellen Befreiung« und verkenne »materiellen Bedingungen« von Geschlechterungleichheit.

So sympathisch der Anspruch ist, Feminismus mit marxistischer Gesellschaftskritik in Verbindung zu bringen, schießt sie mit ihrer klaren politischen Selbstpositionierung als »revolutionäre Marxistin« manchmal über das Ziel hinaus und so laufen viele kämpferische Sätze Gefahr, phrasenhaft zu werden. Auch ist ihre Unterscheidung zwischen gut und böse zu eindeutig: Hier die »marxistischen Feminist*innen«, dort alle anderen, die der ›wahren Befreiung der Frau‹ im Wege stehen würden. Widersprüche innerhalb des marxistischen Feminismus werden nicht benannt. Nicht ausreichend erklärt wird beispielsweise, warum es zu den Rücknahmen progressiver Gesetz in der Sowjetunion kam. Ebenso werden viele bedeutende Feministinnen erst gar nicht erwähnt: Simone de Beauvoir sucht man im Buch ebenso vergebens wie die italienische autonome Feministin Mariarosa Dalla Costa oder die postkoloniale Theoretikern Gayatri Chakravorty Spivak. So scheint D’Atri nur eine ganz bestimmte Art des Feminismus und Marxismus präsentieren zu wollen: und zwar eines Feminismus der sich – zwar durchaus mit Eigensinn – aber doch in den Marxismus eingliedert.

Andrea D’Atri: Brot und Rosen. Geschlecht und Klasse im Kapitalismus. Deutsch von Lilly Schön. Hamburg: Argument, 2019.Ca. 220 S., broschiert, ca. 15€.