Lohnunterschiede in der Ausbildung

In einigen Branchen wurden die Löhne teilweise stark angehoben. Erschienen in: nd vom 24.07.2023

Die Unterschiede bei den tariflich festgelegten Ausbildungsvergütungen sind in Deutschland weiter beträchtlich. Ostdeutsche Auszubildende im Friseurhandwerk und in der Floristik im ersten Lehrjahr bekommen am wenigsten Lohn, Lehrlinge des vierten Ausbildungsjahres im Baugewerbe in Westdeutschland am meisten: Die Spanne reicht dabei von 585 Euro pro Monat bis 1580 Euro. Das ist das Ergebnis einer Auswertung der Ausbildungsvergütung in 20 Branchen, die das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am Montag vorlegte.

Steigerungen bis zu 26 Prozent

Die gute Nachricht für viele Auszubildende: Die tarifvertraglichen Ausbildungsvergütungen in einigen Ausbildungsberufen sind in jüngster Zeit überdurchschnittlich stark angehoben worden, wie Thorsten Schulten vom WSI erklärte. Die Tarifvertragsparteien hätten damit auf sinkende Ausbildungszahlen und einen zunehmenden Fachkräftemangel reagiert, dem ohne eine deutliche Verbesserung des Vergütungsniveaus nicht begegnet werden könne.

Den größten Sprung gab es im Backhandwerk, wo die Ausbildungsvergütungen ab dem 1. August 2023 im ersten Ausbildungsjahr um 26,5 Prozent angehoben wurden. Erhöhungen um 20 Prozent und mehr gab es außerdem im bayerischen Gastgewerbe, in der westdeutschen Floristik und der Süßwarenindustrie in Nordrhein-Westfalen. Über zehn Prozent stiegen die Ausbildungsvergütungen im sächsischen Gastgewerbe, in der Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern und im Bankgewerbe. In der Mehrzahl der Branchen wurden die Vergütungen im Laufe des letzten Ausbildungsjahres zwischen 2,0 und 7,5 Prozent angehoben. »Es ist ein wichtiges Zeichen, dass die tariflichen Ausbildungsvergütungen überdurchschnittlich steigen«, sagte Kristof Becker, DGB-Bundesjugendsekretär, im Gespräch mit »nd«. Insbesondere in den Branchen, die zuvor durch niedrige Ausbildungsvergütungen gekennzeichnet waren, seien »sie ein wichtiger Beitrag, um die Attraktivität der Berufe zu steigern und den Fachkräftemangel zu bekämpfen«, so der Gewerkschafter weiter.

Gewerkschaftsjugend fordert Anpassung

In einigen wenigen Branchen gab es hingegen keine Erhöhungen. Die Ausbildungsvergütungen werden normalerweise im Rahmen der regulären Tarifverhandlungen zusammen mit den Löhnen der Beschäftigten verhandelt, erläuterte das WSI. Damit hängen sie auch mit der Verhandlungsposition der jeweiligen Gewerkschaft zusammen, die von Branche zu Branche und von Region zu Region sehr unterschiedlich ist. Dementsprechend existierten bei der Höhe der Ausbildungsvergütungen deutliche Unterschiede. Abonniere das »nd«

»Trotz eines erheblichen Aufholprozesses ist das Niveau der Ausbildungsvergütung in einigen Tarifbranchen nach wie vor sehr niedrig«, kritisierte Thorsten Schulten vom WSI. »Hinzu kommen die Branchen ohne Tarifvertrag, in denen Auszubildende lediglich Anspruch auf die gesetzliche Mindestausbildungsvergütung haben. Um die Attraktivität bestimmter Ausbildungsberufe zu erhöhen, ist deshalb eine Stärkung der Tarifbindung dringend geboten.«

Mit den Änderungen des Berufsbildungsgesetzes wurde zum 1. Januar 2020 eine Mindestausbildungsvergütung eingeführt. Die Azubis müssen nun mindestens 80 Prozent der branchenüblichen tariflichen Vergütung erhalten, mindestens 620 Euro monatlich. Doch, auch das haben die Zahlen des WSI gezeigt, wird diese Mindestvergütung nicht immer eingehalten: Im nordrhein-westfälischen Friseurhandwerk und der ostdeutschen Floristik müssen Azubis mit deutlich weniger Geld auskommen. Die Unternehmen unterlaufen hier die gesetzlich abgesicherte Untergrenze für Ausbildungsvergütungen. Kristof Becker von der Gewerkschaftsjugend kritisiert dies scharf und fordert eine Erhöhung: »Die Mindestausbildungsvergütung haben wir als Gewerkschaften erkämpft, nun reichen die vor Jahren vereinbarten Vergütungen angesichts der hohen Inflation leider nicht mehr aus. Die Mindestausbildungsvergütung muss deshalb noch vor der nächsten regulären Anpassung dringend um mindestens 130 Euro steigen – branchenübergreifend und bundesweit.«