Von der medialen Reflexion her scheint es hinsichtlich der Reputation des philippinischen Präsidenten kaum Zweifel zu geben – er ist der Teufel in Person. Was völlig vergessen wird, sind die Zustimmungsraten, die dem 71-jährigen Staatschef zuteil werden. Die Meinungsforscher von Pulse Asia fanden heraus, dass 91 Prozent der Bevölkerung Duterte vertrauen. Wie schafft er es, scheinbar unangefochten zu regieren?
Dass Duterte zu Beginn seiner Amtszeit einen „Krieg gegen die Drogen“ ausrief, konnte nicht groß überraschen, hält man sich die 20 Jahre vor Augen, in denen er als Bürgermeister von Davao mit harter Hand gegen vermeintliche wie tatsächliche Rauschgiftabhängige vorging. Woran die Oberschicht kaum je etwas auszusetzen hatte: Kriminalität und Drogenkonsum spielen im Umfeld bewachter Wohnanlagen und Privatschulen keine Rolle. Es traf seit jeher mehr die urbane Mittelschicht, sie war täglich mit den Konsequenzen konfrontiert. Inzwischen sind beim Nahkampf gegen Drogenhandel und -konsum im Schnitt zehn Todesopfer pro Tag zu verzeichnen – mehrere tausend, seit Duterte regiert. Es sind vorrangig Leute aus ärmeren Milieus, die einer Lynch- und Selbstjustiz von Killerkommandos zum Opfer fallen und nicht auf Schutz der Polizei rechnen können. Die duldet oder schaut weg.
Nur erschöpft sich Dutertes Amtsverständnis keineswegs in Kriminalitätsabwehr. Selten gab es in der ehemaligen US-Kolonie einen Präsidenten, der sich derart kritisch über die USA geäußert hat. Barack Obama nannte er einen „Hurensohn“, der „zur Hölle fahren“ solle. Zum seit 65 Jahren bestehenden Verteidigungspakt mit den USA hieß es: „Vergesst es, ich will außer philippinischen Soldaten kein Militär mehr sehen.“ Die Abkehr von Washington korrespondiert mit der Hinwendung zur eigentlichen Groß- und Regionalmacht in Asien. In Manila erwartet man Investitionen aus China, um mehr für die Infrastruktur tun zu können, was Duterte durchaus Sympathien einträgt, bei anderen Parteien wie in der Mittel- und Oberschicht.
Autoritäre Versuchung
Duterte schafft es, auf den von Armut, Korruption und Gewalt geprägten Philippinen auch linke Parteien und deren Anhang anzusprechen. Schließlich hat der südostasiatische Inselstaat mit islamistischen und kommunistischen Rebellen gleichzeitig zu kämpfen. Von diesen Konflikten ist die Landbevölkerung übermäßig betroffen. Der Präsident versucht zu befrieden. Mit der seit Jahrzehnten in Mindanao operierenden islamistischen Gruppe MILF werden Gespräche geführt. Ebenso gibt es Verhandlungen über eine Waffenruhe mit der New People’s Army, dem bewaffneten Arm der maoistischen KP. Um Glaubwürdigkeit zu gewinnen, sollen politische Gefangene freigelassen werden. Eine vertrauensbildende Maßnahme, heißt es in Manila. Darüber hinaus wurden mit der KP verbundene Politiker ins Kabinett berufen: Judy Taguiwalo als Ministerin für soziale Arbeit; Rafael Mariano, Vorsitzender der radikalen Bauernorganisation KMP, für Agrarreform. Die KP und ihre Sympathisanten sollen in einen gewaltfreien Diskurs eingebunden werden.
Auch durch seine Energiepolitik. versucht Duterte, in der Landbevölkerung Fuß zu fassen. Bereits unter dem Präsidenten Fidel Ramos gab es Debatten über den Kohlenbergbau. Dass Duterte nun eine dezidierte Gegnerin dieser Branche zur Umweltministerin ernannt hat, deutet auf bewusste Gegnerschaft zur Großindustrie. Noch ein Hinweis darauf, dass sich der Präsident gern gegen die Eliten positioniert, ist das Thema Zeitarbeit. Duterte sagt unmissverständlich, er wolle die Rechte der Arbeiter gegen befristete Arbeitsverhältnisse verteidigen.
Als Anwalt der Unterschichten legt Duterte bei seinen Auftritten weniger Wert auf Pomp als seine Vorgänger. Er will stattdessen dem Volk aufs Maul schauen, ihm nach dem Mund reden und als jemand jenseits der Kategorien links oder rechts wahrgenommen werden. Dass ein Populist die autoritäre Versuchung voll auskostet, steht außer Frage. Dem werden notfalls Menschenrechte und Menschenleben geopfert. Davon zeugen nicht zuletzt Debatten über die Rückkehr zur Todesstrafe und über eine Herabsetzung der Strafmündigkeit von 15 auf 9 (!) Jahre. Den nötigen politischen Rückhalt erkauft sich Duterte mit dem Verweis auf mehr innere Sicherheit – die Mehrheit akzeptiert das. Die Opfer des Drogenkrieges sind in der Regel zu arm, um sich wehren zu können, der Rest nimmt das Zuckerbrot und akzeptiert die Peitsche. Sollte das so weitergehen, werden sich eines Tages die Toten stapeln.
Bisher stößt Duterte kaum auf Widerstand. Wenn doch, dann kommt er von Menschenrechtsverbänden, der radikalen Linken des Makabayan-Blocks und einer Zivilgesellschaft, die jedoch äußerst zersplittert ist.
(Beitragsfoto: Mohd Rasfan/AFP/Getty Images)