Mit den Eisernen durch die Bundesliga: Zu jedem Heimspiel schicken wir einen anderen Autor an die Alte Försterei. Christopher Wimmer gegen den Tabellenführer Mönchengladbach.
Erschienen in: Neues Deutschland vom 25.11.2019
in Setting, eigentlich ganz nach dem Geschmack von Union: David gegen Goliath. An der ausverkaufen Alten Försterei ist die Borussia aus Mönchengladbach zu Gast. Der Tabellenführer beim Underdog aus Köpenick, der sich auch in der ersten Bundesliga noch sein rebellisches Image bewahrt hat. Doch wie verträgt es sich mit den Profifußball? Wie sehen es die Beschäftigten?
Erste Halbzeit, Haupttribüne. Hier sind die (wenigen) Sitzplätze des Stadions. Ruhige Stimmung, Tee, Familien – für einen Novembernachmittag ausgesprochen windgeschützt und warm. Marc Schreiber steht da im schwarzen Anzug und mit dicker Mütze. Er arbeitet für ein privates Sicherheitsunternehmen im Stadion. Schreiber mag es an der Alten Försterei: »Ich bin nicht bei Union angestellt, aber ich bin seit drei Jahren fast bei jedem Heimspiel hier.« Er »bewacht« eine private »Eisern Lounge« auf der Haupttribune. Diese »edlen und exklusiven« Räume bieten »Komfort auf höchstem Niveau«, so heißt es auf der Vereinsseite. Hier habe Schreiber noch nie Probleme mit Fans gehabt. »Es ist alles sehr entspannt.«
Eine Etage tiefer, in der Schlosserei, dem größten Raum der Tribüne, gibt es für die Gäste Freibier und Essen. Es sieht eher nach einer Messe oder einem Empfang aus und weniger nach Fußballstadion. Wie ist es, hier zu arbeiten? Das Küchenpersonal winkt ab: »Da müssen sie zum Chef, nur der darf mit der Presse sprechen.« Eine junge Angestellte hetzt währenddessen herum und räumt leere Wein- und Biergläser ab. Hier scheint der Profifußball vollends angekommen zu sein. Der Führungstreffer gegen die Fohlen aus Gladbach wird auch eher beiläufig wahrgenommen – es gibt ja gleich das Buffet, zu dem direkt nach dem Pausenpfiff alle strömen.
Dabei beginnt genau jetzt der Zauber, den Union auszumachen scheint. Nach 13 Jahren als Einpeitscher im Block wird Fabian Voss verabschiedet. Die gesamte Fankurve jubelt und bedankt sich bei ihrem »Vossi«. Und das Stadion singt: »Ohne Vossi wär hier gar nichts los.« Auch die Kurve aus Mönchengladbach hat ein großes Banner für Vossi mitgebracht. Die Fans der beiden Vereine sind befreundet.
Anpfiff zweite Halbzeit, Stehplatz. In der letzten Reihe der Stehplätze ist es zugig, kalt, und man sieht wenig. Ein Mitarbeiter von Union schwärmt trotzdem: »Die Stimmung ist seit dem Aufstieg in die erste Liga deutlich besser geworden. Das Ziel ist erreicht, und jetzt steht man auch noch vor der Hertha.« Merkt er Unterschiede zur letzten Saison? »Es ist zwar mehr los, aber der Zusammenhalt im Verein ist viel größer geworden, auch gegenüber den Mitarbeitern.« Wie er heißt, und was der Verein ihm bezahlt, will er aber dann doch nicht sagen.
In der Nachspielzeit dann die Entscheidung: das Tor zum 2:0 für Union. Die folgende unfreiwillige Bierdusche (kein Freibier!) bei drei Grad erzeugt dabei aber eine ganz andere Form von Wärme. »Das gehört dazu«, so ein Fan. »Es zieht, und die eine Hand ist immer kalt vom Bierbecherhalten.«
Muss wohl so. Ein Teeglas würde hier nicht passen.
Nach dem Schlusspfiff feiern die Fans noch lange den Sieg ihrer Mannschaft. Und sie grüßen die befreundeten Fans aus Gladbach noch per Transparent mit der Aufschrift: »Wir sehen uns am Tresen.« Währenddessen hat sich die Haupttribune schon fast komplett geleert.