In Wien kicken Freizeit-Teams um den »Ute Bock Cup« und unterstützen damit Arbeit mit Geflüchteten.
Erschienen in: Neues Deutschland vom 13.06.2019
Selten stand Österreich so im medialen Fokus wie in den letzten Wochen. Das Skandal-Video um den ehemaligen Vize-Kanzler Christian Strache von der rechtsradikalen FPÖ sorgte vielfältig für Aufsehen, der konservative Kanzler Sebastian Kurz musste sich darauf hin einem Misstrauensvotum des Parlaments stellen – und verlor. Seitdem wird die Republik von einer Regierung von Beamt*innen geführt. Für September sind Neuwahlen angesetzt und die Prognosen deuten nicht darauf hin, dass zukünftig eine progressive Alternative die Regierungsgeschäfte in der Alpenrepublik übernehmen könnte. Schlechte Zeiten für Linke, so scheint es.
Doch gerade in dieser Zeit sei Solidarität »gefragter denn je«, so Jaxon im Gespräch mit dem »nd«. Gemeinsam mit etwa fünfzehn anderen ehrenamtlichen Helfer*innen ist er für die Organisation des Ute Bock Cups zuständig, ein Benefiz-Fußballturnier zugunsten geflüchteter Menschen, das alljährlich im Stadion des Wiener Sportclubs stattfindet. Die Saison des Drittligisten ist vorbei und trotzdem war mächtig viel los im altehrwürdigen Fußballstadion mitten im 17. Wiener Gemeindebezirk Hernals.
Bei der elften Ausgabe des Ute Bock Cups am Pfingstsonntag kamen Freizeit-Teams und Besucher*innen unterschiedlicher Herkunft zusammen, um Fußball zu spielen, Konzerte zu hören und gemeinsam Zeit zu verbringen. Die politische Ausrichtung des Cups ist dabei klar: »Wir stellen uns gegen Ausgrenzung und Hetze von Menschen aus anderen Kulturkreisen, die durch die populistische und rechte Politik der derzeitigen Regierung befeuert wird«, so Jaxon.
Das über den sonnigen Tag gut gefüllte Stadion war dann auch geschmückt mit vielen Antifa-Flaggen und Bannern gegen Ausgrenzung und Homophobie. Bekannt ist der Ute-Bock-Cup nicht nur für das Fußballturnier, sondern auch für das umfangreiche Rahmenprogramm: der Wiener Verlag bahoe books verkaufte Bücher zu linker Bewegungsgeschichte, Konzerte wie vom österreichischen Liedermacher Voodoo Jürgens lockten Hunderte an.
Auf dem Rasen wuselte es gehörig. In der Vorrunde wurden immer viert Partien gleichzeitig gespielt – auf Kleinfeld. 32 Teams traten im Spiel um drei Trophäen an: den »All Gender Cup«, den »Frauen*Inter*Trans Cup« und den »Fair Play Cup«. Die Teams bestanden aus politischen Gruppen und Unterstützer*innen der Geflüchtetenarbeit mit Namen wie »Kicken ohne Grenzen« und »FC Multikulti«. Auch aus Deutschland reisten Teams an, wie die »Löwenfans gegen Rechts« – eine Fangruppierung des Münchner Vereins TSV 1860 München. Fußballerisch waren die Spiele nicht immer auf Champions League-Niveau, beim Cup geht es aber auch nur in zweiter Linie um sportlichen Erfolg und Ehrgeiz: »Keine Hautfarbe, keine ethnische Herkunft, keine sexuelle Orientierung und keine Religion zählt, uns geht es um ein positives Miteinander ohne Diskriminierung«, erklären die Veranstalter*innen des Cups, »und das zeigen wir, die Spieler*innen, Besucher*innen und Organisator*innen, am Fußballplatz und auch außerhalb.«
Benannt ist der Cup nach Ute Bock. Die 2018 verstorbene Erzieherin Bock war als Flüchtlingshelferin und Menschenrechtsaktivistin aktiv. Sie wurde durch ihren Einsatz für Asylbewerber*innen und Geflüchtete bekannt, die sie mit ihrem in Wien beheimateten Verein ›Flüchtlingsprojekt Ute Bock‹ mit Wohnraum, Kleidung, Kursen und der Vermittlung von juristischer und medizinischer Hilfe unterstützte. Die Erinnerung an sie ist natürlich nicht zufällig so Jaxon. »Asylsuchende und Geflüchtete sind für die aktuelle Politik die Feindbilder Nummer eins. Mit allen Mitteln wird hier schärfster Sozialabbau betrieben, um Menschen in Not weiter an den sozialen Abgrund zu drängen.« Er ergänzt: »In Zeiten wie diesen ist es umso wichtiger, die Ideen und Ziele von Ute Bock weiterzutragen, und sich gemeinsam gegen diskriminierende Tendenzen zu stellen.« Der Reinerlös des ausschließlich von rund 150 Ehrenamtlichen organisierten Turniers kommt zu 100 Prozent Projekten zu Gute, die niederschwellige und unabhängige Unterstützung für geflüchtete Menschen leisten. Im letzten Jahr konnten knapp 22.000 Euro gespendet werden.
Als der Tag sich dem Ende neigt, entscheidet das Team »Nach vorn« durch ein Traumtor in den Kreuzwinkel das Finale nach Verlängerung für sich. Nicht all schauen hin. Manche unterhalten sich lieber auf der Tribüne über Politik. Als sich die Teams noch einmal versammeln, freuen sich alle mit den Gewinner*innen. Das Publikum trinkt Spritzer und Bier. »Das ist das Wien, wie ich es mir vorstelle«, sagt eine Zuschauerin.