Vorbild- und Reizfigur in der DDR, kommunistische Agentin, Geliebte Che Guevaras, gesamtdeutscher Star des Boulevards. Das Berliner Recherche- und Theaterkollektiv VAJSWERK bringt noch heute und morgen verschiedene Episoden des Lebens von Tamara Bunke auf die Bühne.
Erschienen in Ost-Journal.
Nach Tamara Bunke wurden Schulen, Kindergärten und Jugendbrigaden benannt; Bücher wurden über sie geschrieben, ihr Leben – an der Seite Che Guevaras – wurde verfilmt; ein Asteroid trägt ihren Namen.
Bunke wurde 1937 in Buenos Aires geboren, ihre Eltern mussten aus dem nationalsozialistischen Deutschland fliehen. Nach dem Krieg, im Jahr 1952 kehrte die Familie Bunke zurück, um in der DDR das bessere Deutschland aufzubauen. Tamara engagierte sich beim Aufbau des Sozialismus. Im Dezember 1960 kam der kubanische Revolutionär Ernesto ›Che‹ Guevara an der Spitze einer Wirtschaftsdelegation zu einem Besuch in die DDR. Bunke wurde als seine Dolmetscherin eingesetzt. Sie war fasziniert von ihrem international als Held verehrten Landsmann und der zwei Jahre zuvor erfolgreichen Kubanischen Revolution. Mit Genehmigung der SED durfte sie nach Kuba ausreisen und arbeitete als Übersetzerin und Dolmetscherin für verschiedene Behörden. Später wurde sie von ›Che‹ als geeignete Unterstützerin seines geplanten Exports der sozialistischen Revolution auf dem südamerikanischen Kontinent ausgewählt und erhielt ab 1963 vom kubanischen Geheimdienst DGI eine militärische und geheimdienstliche Ausbildung. Zusammen mit Guevara beteiligte sie sich am Untergrundkampf in Bolivien und wurde dort am 31. August 1967 als Guerilla-Kämpferin erschossen.
Die verschiedenen Episoden ihres Lebens bringt nun das Berliner Recherche- und Theaterkollektiv VAJSWERK auf die Bühne. In fünf verschiedenen Perspektiven recherchiert und erspielt das Kollektiv das Nachleben der Tamara Bunke: die Instrumentalisierung eines politischen Menschen, dessen Inszenierung und Selbstinszenierung. „Die Geschichte von Tamara Bunke wurde immer von anderen erzählt“, so die Projektleiterin Julia Jägle im Gespräch und ergänzt: „Jede:r schreibt eine andere Geschichte. Das fanden wir spannend und haben ihre Vieldeutigkeit zum dramaturgischen Prinzip gemacht. Außerdem wollten wir ein Theaterstück zeigen, das inhaltlich und formell das Publikum zu einer Positionierung bringt.“
Fünf Schauspieler:innen haben zu verschiedenen Bereichen in Bunkes Lebens recherchiert und diese Episoden auf die Bühne gebracht. Dort gibt es somit fünf Tamaras gleichzeitig: Als Vorbildfigur in der DDR sowie als Reizfigur ebendort. Eine Episode gilt Bunke als DDR-Ikone in der BRD, eine als gesamtdeutscher Star des Boulevards: als Geliebte Guevaras und/oder Stasi- und/oder KGB-Agentin. Die letzte Episode beschäftigt sich mit Tamara Bunke als aktuelle Bezugsperson für Menschen, die sich beim Kampf um eine bessere Welt nicht mit dem Kauf von Fair-Trade-Produkten zufrieden geben wollen und immer noch den Glauben an eine globale Revolution aufrecht erhalten. Durch die verschiedenen Perspektiven auf Bunke gelingt es dem Stück deutlich zu machen, was der Soziologie Pierre Bourdieu die „biografische Illusion“ bezeichnet hat: nämlich die falsche Vorstellung aufzudecken, dass das Leben eben keiner kohärenten Struktur gehorchet. „Über Tamara Bunke lässt sich wunderbar, wie bei anderen Vajswerk-Produktionen auch, biografisch und multiperspektivisch gleichzeitig erzählen. Die Schauspieler:innen sind immer auch Rechercheur:innen und verkörpern dies auf der Bühne“, so der Regisseur Christian Tietz.
Nach der Premiere Ende November wird „Tamara Bunke. Eine Heldin wird gemacht“ diese Woche noch Freitag und Samstag in der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Oberschöneweide gezeigt. Im Rahmenprogramm hält am heutigen Freitag um 18 Uhr der Publizist Gerd Koenen einen Vortrag über „Das Guevara Projekt – Epitaph auf Tamara Bunke“.