Verweigern aus Prinzip

Wie man vom Geheimdienst lernen kann, im Büro Krieg zu führen
(gekürzte Fassung) erschienen in Konkret 11/18


„Stören Sie behördliche und vor allem militärische Arbeit, indem Sie mindestens ein Mal täglich eine Dienststelle des Feindes anrufen; nimmt jemand ab, sagen Sie, Sie seien falsch verbunden worden. Rufen Sie bei Militär und Polizei an und erstatten Sie anonym Falschmeldungen über Brände, Luftangriffe oder Bomben.“ Was klingt, wie ein schlechter und anachronistischer Telefonscherz, war 1944 bitterer Ernst.

Der zweite Weltkrieg war noch nicht endgültig entschieden, die Alliierten wurden langsam unruhig. Da kam dem US-Geheimdienst eine Idee: Könnte man den Menschen im Machtbereich der Nazis nicht beibringen, wie man mit wenig Aufwand und Risiko möglichst viel Schaden anrichtet? Das Office of Strategic Services, ein Vorläufer der CIA stellte ein kleines Buch mit phantastischen Tricks zusammen: Zucker in den Tank! Irgendwas anzünden! Schwamm ins Klo! Und in Büros und Behörden: Vorgesetzte durch dumme Fragen, Untergebene durch Beförderung von Idioten in den Wahnsinn treiben! Grundsatzdiskussionen! Pochen auf dem Dienstweg! Haufenweise Sitzungen – vor allem, wenn Wichtigeres zu tun ist!

Dieses „Simple Sabotage Field Manual“ war ein Nachschlagewerk für alle, die den NS-Staat ein bisschen aufmischen und nachhaltig sabotieren wollten. Die geheime Schrift wurde erst im Jahr 2008 im Volltext freigegeben.

Aktuell ist im Rowohlt-Verlag die deutsche Übersetzung sowie die Reproduktion des Originaltextes erschienen. Heute ließt sich das Büchlein vordergründig amüsant, doch wirft die Journalistin Kathrin Passig in ihrem lesenswertes Nachwort die wichtige Frage auf, wie Sabotage ohne einen Weltkrieg aussehen kann. Denn auch im Frieden kann Krieg herrschen. Zum Beispiel am Arbeitsplatz, der heißt dort dann Klassenkampf. Sabotage kann hier als Mittel angesehen werden, die tägliche Routine zu unterbrechen. „Dass es so weiter geht, ist die Katastrophe“, meinte schon Walter Benjamin und es scheint fürs Sabotieren auch Anknüpfungspunkte zu geben: „In der Managerliteratur ist von hohen zweistelligen Prozentsätzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Rede, die sich gar nicht so sehr für das Wohlergehen der Firma interessieren und jede Gelegenheit nutzen, Sand ins Getriebe zu streuen“, so Passig.

Es gibt im Leben und in der Lohnarbeit immer Momente, in denen sich Menschen entscheiden, Sachen nicht oder schlecht zu machen, anstatt sie gut zu machen. Je mehr man versucht, kritisch mit Normen und Anforderungen umzugehen, desto mehr öffnet sich politisches Denken. „Scheitern ist immer etwas, das aus Versehen passiert oder das man eigentlich verhindern will – aber Sabotage ist absichtliches Nichtfunktionieren. Wenn das eine in das andere umschlägt, kann das einen gesellschaftsverändernden und kämpferischen Impuls bekommen“, so die Autorin Lusie Meier. In ihrem aktuellen Buch „MRX Maschine“ benennt sie das bewusste Scheitern und die Sabotage als politische Strategie. In einem Interview fasst Meier es so zusammen, dass es darum geht, „in der Verwaltung, in der Uni, im Job Regeln nicht einzuhalten und dadurch permanent zu strapazieren und praktisch infrage zu stellen. Ich will eine Normalität des Regelbruchs erreichen, der dann auch kollektiv und solidarisch werden muss.“ Das Sabotage-Handbuch ist dabei eine Erinnerung an verschiedene Formen der kollektiven Sabotage, die auch heute noch hilfreich sein können und aus denen sich widerständiges Potential entwickelt, dass auch in friedlichen Zeiten noch nicht eingelöst ist.

US Office of Strategic Services: Das kleine Sabotage-Handbuch von 1944. Die besten Tricks des amerikanischen Geheimdienstes im Kampf gegen Hitler. Rowohlt, 112 S., Taschenbuch, 8 €.