Das Vorkaufsrecht für die Hausgemeinschaft »ElWe 44« ist gescheitert, das Gebäude wurde anderweitig verkauft
Erschienen in Neues Deutschland vom 10.10.2018
Das Haus in der Elbestraße Ecke Weigandufer ist an einen privaten Immobilienunternehmer verkauft worden. Somit ging das Haus nicht, wie von den Mieter*innen erhofft, an den Bezirk. Der Bezirk hat bei Immobilien in sogenannten Milieuschutzgebieten das Recht, anstelle eines Privatinteressenten das Haus zu kaufen, wenn der interessierte Käufer keine Abwendungsvereinbarung unterschreibt.
Neue Besitzerin wird nun die »JFT Grundbesitz Nr. 28 GmbH«, die in Verbindung mit dem Immobilienunternehmer Gijora Padovicz stehen soll. Ihm gehören laut Recherchen des Mieter*innen-Bündnisses »Padowatch« mehrere hundert Häuser.
Neben Padovicz gab es zwei potenzielle Drittkäufer, die beide für den Kauf bereit gewesen wären: eine städtische Wohnungsbaugesellschaft sowie eine Neuköllner Genossenschaft. Diese Drittkäufer hatten im Verfahren jedoch das Nachsehen, denn am 8. Oktober legte die JFT Grundbesitz eine rechtsgültige Abwendungsvereinbarung vor. Damit sind alle Bemühungen der Hausgemeinschaft und des Bezirks Neukölln, ein Vorkaufsrecht auszuüben und einen Drittkäufer vorzuschlagen, gescheitert. Der Vertrag mit der JFT Grundbesitz wird am 1. Januar 2019 rechtskräftig. In der Abwendungsvereinbarung verpflichtet sich der neue Eigentümer, die Wohnungen im Haus für 20 Jahre beziehungsweise solange der Milieuschutz gilt, nicht in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Ebenso finden sich Möglichkeiten darin, Mieterhöhungen zu begrenzen.
Für die Hausgemeinschaft »ElWe 44« ist dies trotzdem eine herbe Niederlage: »Selbst wenn mit einer solchen Vereinbarung bestimmte Ziele des Milieuschutzes gewahrt werden, ist mittelfristig eine Verdrängung von Gewerbe und sozial schwachen Mieter*innen durch Modernisierungsmaßnahmen zu erwarten. Im Falle unserer Hausgemeinschaft trifft dies vor allem das Café Erika & Hilde, den Lautsprecherladen Einhorn sowie viele soziale Härtefälle, die nun weiter um ihre Zukunft bangen müssen«, heißt es in deren Pressemitteilung. Man sei enttäuscht darüber, dass das Vorkaufsrecht des Bezirkes nicht gegriffen habe.
Direkt am Neuköllner Schifffahrtskanal gelegen, leben in dem Haus rund 100 Menschen in 50 Mieteinheiten. Im Erdgeschoss befinden sich das Café und der Lautsprecherladen.
Die Mieter*innen hatten im August 2018 erfahren, dass ihr Haus verkauft werden soll. Da es in einem Milieuschutzgebiet liegt, kontaktierte der Bezirk Neukölln die Mieter*innen. Daraufhin gründeten sie die Hausgemeinschaft »ElWe 44«, um gegen den geplanten Verkauf aktiv zu werden. »ElWe 44« steht für die Adresse Elbestraße, Weigandufer sowie die alte Neuköllner Postleitzahl 44. Über den Sommer wurden Vernetzungstreffen mit Initiativen organisiert, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, darunter Amma 65 e.V., Seume 14 und die Initiative »Padowatch«. Die Hausgemeinschaft lud unter anderem das Mietshäusersyndikat sowie Vertreter*innen des Bezirks ein, um eine Lösung zu finden. Dabei erfuhr sie, dass Padovicz laut Aktivist*innen sich dadurch auszeichnet, Profite auf den Rücken von Mieter*innen zu machen.
In dem Haus am Kanal betrug die durchschnittliche Nettokaltmiete nur rund 6,50 Euro. Deshalb hatte die Hausgemeinschaft gegenüber dem Bezirk und möglichen Drittkäufern auch immer kommuniziert, dass sie eine sozial verträgliche Mietsteigerung in jedem Fall mittragen würden, sollte es für das Vorkaufsrecht förderlich sein. Gebracht hat es nichts.
Der Neuköllner Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Jochen Biedermann (Grüne), ist dennoch optimistisch. Für ihn ist die Vereinbarung ein »Erfolg gegenüber einem bloßen Verkauf«, denn die Vereinbarung beinhalte »ein deutliches Mehr an Schutz als die Mietpreisbremse des Bundes«. Große Mietsteigerungen seien für den neuen Eigentümer schwierig, da die alten Mietverträge offengelegt werden müssten. Ebenso seien in der Vereinbarung Strafen für den Eigentümer von bis zu einer Million Euro festgeschrieben. Biedermann teilt die Forderung, das Vorkaufsrecht zu stärken. Hier sind dem Bezirk jedoch die Hände gebunden – Bundesrecht.
Die Mieter*innen werden weiterhin »alles dafür tun, dass die Hausgemeinschaft der Elbestraße Ecke Weigandufer auch mittelfristig intakt bleibt«.