Hedonismus

Erschienen im Neuen Deutschland vom 30.05.2018
Wer auf der Droge MDMA kuschelt, lieber an den See fährt als zur Arbeit oder das Fünf-Gänge-Menü den Nudeln mit Pesto vorzieht, wird sich meist wenig Gedanken über die Abschaffung des Kapitalismus machen, klar. Und doch kann ein hedonistischer Lebensstil ein widerständiger Akt werden. Der Widerstand besteht in der Möglichkeit des (kurzfristigen) Ausbrechens aus den Verhältnissen. Seien sie noch so fragil, vorübergehend und auf Sand gebaut, aber Momente des Genusses können einen Vorgeschmack darauf bieten, wie das Leben sein könnte. Wer sich im Hedonismus dabei nicht genügt, sondern auch weiter analysiert und tätig ist, hat es verstanden. Der (kurzfristige) Luxus darf kein Rückzug auf sich selbst sein, sondern muss dafür genutzt werden, umso unerbittlicher das Falsche in der falschen Gesellschaft zu sehen und gegen sie vorzugehen. Es gilt, eine Welt zu bauen, in der das gute Leben für alle im alltäglichen Leben vorhanden ist: ein dauerhaftes Fünf-Gänge-Menü also.