Das Kooperationsverbot ist ein Hemmnis für ein sozial gerechtes Bildungssystem. Sparzwänge und Schuldenbremse machen es für Länder und Kommunen immer schwieriger weiterhin in ein flächendeckendes Bildungsangebot zu investieren. Daher muss das Kooperationsverbot abgeschafft werden. Ein Kommentar.
Erschienen bei Was bildet ihr uns ein
Bekenntnisse zur angeblichen „Bildungsrepublik“ Deutschland ziehen sich durch alle politischen Parteien. Sonntagsreden sprechen von „Bildung für alle“, „Exzellenz“, „Chancengleichheit in der Bildung“ und gefallen sich in der Rolle, doch nur das Beste für Schüler_innen sowie Studierende zu wollen. Kommt die Frage auf, ob allein die Länder oder auch der Bund diese „chancengleiche Bildung für alle“ finanzieren soll, gehen die Meinungen auseinander.
Seit 2006 mit den Stimmen der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD verabschiedeten Föderalismusreform gibt es das sogenannte Kooperationsverbot. Dieses regelt die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Bildung: Zuwendungen des Bundes an die Länder und Kommunen sind nur noch im Hochschulbereich möglich – und selbst hier sehr eingeschränkt, denn die geförderten Projekte sind nur befristet. Auf Drängen der unionsregierten Länder Bayern, Hessen und Baden-Württemberg wurde all dies sogar in das Grundgesetz aufgenommen.
Soweit so schlecht.
Probleme auf allen Ebenen
Die konkreten Folgen dieser Politik zeigen sich im gesamten Bildungsbereich. So tritt der Zusammenhang zwischen fehlender Finanzierung auf Grundlage des Kooperationsverbotes und der sozialen Selektivität deutlich zu Tage: Ein Jahr vor dem Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige fehlen immer noch Hunderttausende Plätze, sowie gut ausgebildete Erzieher_innen. Hier müssen Bund,Länder und Kommunen enger zusammenarbeiten , um dem Anspruch gerecht zu werden.
Für die allgemeine Bildung gibt es keine Gesetzgebungskompetenz durch den Bund. Bildung ist alleinige Ländersache. Das Resultat daraus sind 16 sich auseinanderentwickelnde Schulsysteme, fehlende Vergleichbarkeit, Probleme bei der Anerkennung von Leistungen und bei der Mobilität, steigender Bürokratieaufwand und Unsicherheit. In den Hochschulen fehlen Studienplätze, der freie Zugang zu einem Masterstudium ist nicht gegeben und studentische Beschäftigte arbeiten oft in prekären Verhältnissen. Der Bund kann allerdings nur sehr eingeschränkt unterstützend tätig sein. Die Hochschulprojekte zwischen Bund, Ländern und Kommunen laufen innerhalb weniger Jahre aus.
Nicht besser sieht es bei Angeboten der Volkshochschulen und Weiterbildungsmaßnahmen für Erwachsene aus. Die Finanzierungsnot ist allgegenwärtig. Dem Bund sind durch das Kooperationsverbot die Hände gebunden, und den Ländern und Kommunen fehlt oftmals schlichtweg das Geld. Auch gesamtgesellschaftliche Bereiche, die den Bund betreffen, wie der Kampf gegen Analphabetismus leiden darunter. Bei den landesgesetzlich geregelten Berufsausbildungen gibt es riesige Unterschiede zwischen den Ländern, große Finanzierungsprobleme und eine mangelhafte gegenseitige Anerkennung der Berufsabschlüsse.
Reiche Bundesländer und Kommunen können sich die notwendigen Bildungsausgaben weiterhin leisten. Für sie ist es nicht wichtig, dass das Kooperationsverbot abgeschafft wird. Andere Länder hingegen müssen aufgrund ihres Haushaltes hingegen Abstriche bei der Bildung machen. Ebenso sieht es auf der privaten Ebene aus: Ist die staatliche Kita schlecht ausgestattet oder erst gar nicht vorhanden, muss kurzerhand die Kinderbetreuung privat organsiert werden – sofern es das Portemonnaie erlaubt. Die Folge des Kooperationsverbotes ist somit also ein Wettbewerb im Bildungssystem, dass doch gleiche Teilhabe für Alle schaffen sollte. Die Schere zwischen gut ausfinanzierter „Elite“ und Bildungsförderung in die Breite geht immer weiter auseinander. Das Wort des „Zwei-Klassen-Bildungssystem“ erscheint hier eine ganz neue Bedeutung zu erlangen. Gleiche Bildungsteilhabe für alle Menschen und die Sicherung einer hohen Qualität sind Aufgaben der gesamten Gesellschaft und der öffentlichen Daseinsvorsorge. Bund, Länder und Kommunen stehen gemeinsam in der Verantwortung, ein integrierendes und leistungsfähiges Bildungswesen zu entwickeln und zu finanzieren.
Das Problem liegt ja nicht darin begründet, dass die Länder und Kommunen nicht in Bildung investieren wollen, sie können es angesichts der Finanznot durch Krise(n) und der offensichtlich falschen Schuldenbremse einfach nicht alleine stemmen. Die Finanzierung guter Bildung muss daher als gemeinsames Projekt angesehen werden. Dafür bedarf es einer neuen rechtlichen Grundlage: Die Abschaffung des Kooperationsverbotes.
Das Schlachten einer heiligen Kuh
Bildung soll nicht Eliten und Klassenstrukturen reproduzieren, sondern zur Gleichheit in einer Gesellschaft beitragen. Das Kooperationsverbot steht dem diametral entgegen! Deswegen lohnt es sich, dass Grundgesetz zu ändern. Es ist notwendig, dass eine Kooperation im gesamten Bildungsbereich ermöglicht wird und nicht nur bei einzelnen „Leuchtturmprojekten“ einzelner Hochschulen.
Wer sich aber dem Ziel von guter Bildung für alle verschrieben hat, muss sich auch um die Finanzierung kümmern. Die Qualität von Forschung und Lehre, gute Lebens- und Arbeitsbedingungen für Erzieher_innen, Lehrer_innen, eine gute Infrastruktur – wie die Schaffung zusätzlicher Studienplätze oder soziale Rahmenbedingungen – sowie Beratung und Betreuung kosten nun einmal Geld. Dafür braucht es eine ausreichende Finanzierung und deren Verteilung auf Bund, Länder und Kommunen. Wenn die Gleichheit der Lebensbedingungen das Ziel ist, muss Schluss sein mit dem Wettbewerbsgedanken im Bildungssystem und der einseitigen Fokussierung auf die Verwertungslogik und Effizienz. Daher weg mit dem Verbot, her mit der Kooperation, die sich an gleichen Chancen in allen Bundesländern orientiert und gleiche Lebensverhältnisse schaffen will.