Vergütung von Azubis: Noch immer nicht genug

Christopher Wimmer zur niedrigen Vergütung von Azubis. Kommentar in: nd vom 24.07.2023

610 bzw. 585 Euro pro Monat – das verdienen nordrhein-westfälische Auszubildende im Friseurhandwerk und Florist*innen in Ostdeutschland im ersten Lehrjahr. Es ist wenig und auch gesetzwidrig. Die Mindestvergütung in der Ausbildung beträgt 620 Euro monatlich. Doch selbst mit diesem Geld können sich Azubis meist keine eigene Wohnung leisten oder eigenständig eine Existenz aufbauen. Die hohe Inflation hat Lehrlinge zudem besonders hart getroffen. In vielen Branchen und vor allem in ländlichen Regionen ist die Vergütung sehr niedrig und muss dringend angepasst werden. #ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen

Es ist daher gut, dass Ausbildungsvergütungen nun teilweise überdurchschnittlich erhöht werden. Dem Fachkräftemangel werden die Unternehmen nur dann begegnen können, wenn sie genug qualifiziertes Personal ausbilden und die Bedingungen der Ausbildung verbessern – dazu gehört mehr Geld. Wie wichtig besonders »anpackende« Ausbildungsberufe sind – Pfleger, Handwerker, Logistiker – hat die Coronakrise gezeigt. Den Fachkräften gehört in einer immer spezialisierteren Welt die Zukunft. Dies muss sich nun in einer angemessenen Bezahlung ausdrücken.

Schlecht bezahlte Zwangsarbeit

Christopher Wimmer zum Urteil zu höheren Löhnen für Haftarbeit. Kommentar in: nd vom 20.06.2023.

Bis Mitte 2025 muss es ein neues Gesetz über die Entlohnung von Gefangenen geben, so urteilte das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in Karlsruhe. Die derzeitige Praxis, die einen Stundenlohn von rund zwei Euro vorsieht, ist verfassungswidrig.

Arbeit im Gefängnis soll wesentlich dazu dienen, die Resozialisierung von Gefangenen zu ermöglichen. Dabei sind Inhaftierte in den meisten Bundesländern sogar dazu verpflichtet, hinter Gittern zu arbeiten. Dies stellt eine Ausnahme vom prinzipiellen Verbot der Zwangsarbeit dar. Gefängnisse sind der einzige Ort in Deutschland, an dem diese erlaubt ist.

In Bayern müssen Gefangene, die sich weigern zu arbeiten, einen Haftkostenbeitrag zahlen. Arbeitende Gefangene haben indes keinen Anspruch auf den Mindestlohn, keinen Arbeitsvertrag, dürfen keine Gewerkschaften gründen und genießen keinen Kündigungsschutz. Auch zahlen sie nicht in die Sozialversicherung ein. Dies liegt daran, dass sie nicht als reguläre Beschäftigte definiert werden, sondern ihre Arbeit lediglich als »Maßnahme« verstanden wird. Abonniere das »nd«

Es war überfällig, dass Karlsruhe nun festgestellt hat, dass auch diese Form der Arbeit wertgeschätzt werden muss. Dazu gehört ein angemessener Lohn, der sich am Mindestlohn orientieren sollte. Aber nicht nur der Stundenlohn sollte steigen, auch die »nicht monetären« Komponenten müssen sich verbessern, wie die Anrechnung der Arbeit für freie Tage oder Urlaub in der Haft oder auch die frühere Haftentlassung.

Für die 42 000 Strafgefangenen in Deutschland bedeutet das Karlsruher Urteil nicht das Ende ihrer Zwangsarbeit oder gar des Gefängnissystems. Aber es ist ein erster Schritt zu mehr Anerkennung.