Letzte Generation: Stemmhammer gegen Sekundenkleber

Die Letzte Generation hat in Berlin teils stundenlang rund 30 Orte blockiert. Staus waren die Folge. Erschienen in: nd.Der Tag vom 24.04.2023

Die Aktionen kamen alles andere als unerwartet. Die Klimaschutzgruppe Letzte Generation hatte bereits weit im Vorfeld angekündigt, Berlin mit ihren Störaktionen »lahmzulegen«. Am Montag behinderten daher Aktivist*innen mit mehreren Blockaden den Verkehr der Hauptstadt. Die Berliner Polizei sprach von »maximal 33 Örtlichkeiten«, an denen Aktivst*innen am Vormittag vor Ort waren, festgeklebt waren »oder nur auf der Straße standen«.

Die Blockaden begannen gegen 07.30 Uhr, inmitten des Berufsverkehrs. »Wir nehmen nicht länger hin, dass die Regierung keinen Plan hat, wie die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen gestoppt werden kann. Wir leisten jetzt Widerstand!«, teilte die Letzte Generation als Begründung für ihre Aktionen mit.

Die Aktivist*innen hatten meist vielbefahrene Straßenkreuzungen und Kreisverkehre blockiert und sich teilweise auch festgeklebt. Betroffen waren zunächst vor allem die Bezirke Spandau und Charlottenburg-Wilmersdorf, hier vor allem der Ernst-Reuter-Platz und die Hardenbergstraße, wo sich sieben beziehungsweise fünf Klimaaktivist*innen festgeklebt hatten. Am Ernst-Reuter-Platz hatte die Polizei zunächst versucht, mit einer Motorsäge Teile der Fahrbahn aufzusägen, um die letzten Aktivist*innen zu entfernen. Mehrere Stunden nach Beginn war die Blockade jedoch immer noch nicht vollständig geräumt. Die Entfernung des letzten Aktivisten gestaltete sich als besonders schwierig. Der Polizei gelang es schlussendlich nur mit Hilfe eines Stemmhammers, den Aktivisten von der Straße zu lösen und die Blockade zu räumen. Gegen 11.20 Uhr war die Fahrbahn wieder frei. Handwerker standen bereits bereit, um die beschädigte Straße wieder zu reparieren und befahrbar zu machen.

Die Aktivist*innen waren meist in Kleingruppen unterwegs. Die Gesamtanzahl der Demonstrierenden schätzt die Polizei im unteren dreistelligen Bereich. Die Letzte Generation selbst sprach von rund 800 Aktivist*innen, die sich an Aktionen beteiligt hätten. Dies sei eine Verdreifachung der Proteste gegenüber dem letzten Herbst.

Nicht alle Protestierenden klebten sich am Montag auf der Straße fest. Andere Aktivist*innen setzten sich nur auf die Straße. Ebenso gab es eine Fahrraddemonstration. Eine Sprecherin der Berliner Polizei sprach daher von einer »dynamischen Lage« in der Stadt. Die Polizei meldete zudem, sie sei mit rund 500 Beamten und einem Hubschrauber im Einsatz, »um die Blockaden schnellstmöglich aufzulösen.« Dabei versuchten die Beamten nach eigenen Angaben, »Personen konsequent in Gewahrsam zu nehmen«. Die Beamten überprüften sofort, ob bei Personen, die in der Vergangenheit an ähnlichen Aktionen beteiligt waren, ein Anschlussgewahrsam infrage komme. Es erfolge in jedem Fall eine Einzelfallprüfung.

Gegen Mittag hatte sich die Lage in Berlin wieder weitgehend beruhigt und alle Blockaden waren von der Polizei geräumt. Auch gab es nach Angaben der Verkehrsinformationszentrale keine Staus mehr, die von der Letzten Generation verursacht worden waren. Die Polizei zeigte sich mit dem Verlauf des Tages insgesamt zufrieden.

Ziel der Proteste sei es, die Regierung beim Thema Klima zum Aufbruch zu bewegen, hieß es von der Letzten Generation. Die Gruppe beklagt fehlenden Klimaschutz und verlangt die Einsetzung eines Gesellschaftsrats mit gelosten Mitgliedern. Sie fordert von der Politik einen Plan zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels, mit dem die schlimmsten Folgen der Erderwärmung verhindert werden sollen. Kurzfristig soll ein dauerhaftes Neun-Euro-Ticket sowie ein Tempolimit von hundert Stundenkilometern auf Autobahnen eingeführt werden. Auch soll die Bundesrepublik bis 2030 die Nutzung fossiler Rohstoffe beenden. »Die Bundesregierung hat sich selbst als Fortschrittskoalition bezeichnet, doch macht sie nichts anderes, als den Klimaschutz zu blockieren«, erklärte Raphael Thelen von der Letzten Generation bei einer Blockade im Stadtteil Schöneberg. »Daher blockieren wir hier als Letzte Generation Berlin. Wir bringen die Stadt zum Stillstand, damit die Regierung sich bewegt.« Die Stadt solle »auf unbestimmte Zeit friedlich zum Stillstand« gebracht werden.

Im Internet kursierten mehrere Videos, wie Aktivist*innen von aufgebrachten Autofahrern angegangen und von der Straße gezogen oder auch leicht angefahren wurden. Die Aktivist*innen erklärten jedoch auch, dass es viel Solidarität von der Berliner Bevölkerung gegeben habe: »Es ist klar, dass hier gerade etwas ins Rollen kommt. Kinder winken beim Vorbeilaufen, Radfahrer*innen applaudieren und Passant*innen schenken Schokolade«, so Aimée van Baalen, eine Sprecherin der Letzten Generation. »Wir rufen alle, die ebenfalls der Meinung sind, dass die Regierung endlich damit anfangen muss, unsere Lebensgrundlagen zu sichern, dazu auf, diesen Mittwoch bei einem Protestmarsch dabei zu sein«, so van Baalen weiter. Die Gruppe Scientist Rebellion erklärte ihre Solidarität mit der Letzten Generation. An den Straßenblockaden seien etwa 40 Mitglieder weiterer Klimagruppen beteiligt.

Bereits in den vergangenen Tagen und Wochen gab es Aktionen der Klimaschutzbewegung. Aktivist*innen besprühten etwa die Schaufenster mehrerer Luxus-Läden auf dem Berliner Kurfürstendamm mit Farbe.