Es wäre eine Sünde, Kaffee den Ungläubigen zu überlassen, fand Papst Clemens VIII. Dies und anderes Wissenswertes über das Gebräu erfährt man im Kaffee-Buch von Lani Kingston. Erschienen in: ND.Die Woche vom 15.04.2023
Eine druckfrische Zeitung, ein Croissant (oder auch eine Zigarette) und eine Tasse Kaffee. Vielleicht sieht es bei Ihnen, liebe Lesende, sollten Sie sich diesen Text am Morgen zu Gemüte führen, ja gerade so aus (Online-Lesende mögen die Print-Zeitung durch ein elektronisches Gerät ersetzt haben). Was könnte auch schöner sein, als einen Tag wohl informiert durch die Nachrichten und aufgeweckt durch das Koffein des Heißgetränks zu starten?
Als Kaffeetrinker sind Sie damit nicht allein. Kaffee ist das Lieblingsgetränk der Welt. Rund 2,3 Milliarden Tassen werden jeden Tag weltweit gebrüht, gefiltert und genossen. In der Bundesrepublik werden jährlich im Durchschnitt pro Kopf 450 Tassen getrunken, so das Statistikportal Statista. Laut Deutschem Kaffeeverband sind das 169 Liter. Eine ziemlich stattliche Menge des schwarzen Getränks.
Als treuer Begleiter und heimliches Lebenselixier hat Kaffee eine ganz eigene Kultur hervorgebracht. Eine Tasse kann Wunder bewirken, Launen ändern und ganze Tage voller Lektüre oder Gespräche begleiten. Welche Form der Kaffee dabei annimmt, ist höchst variabel. Die Zubereitung reicht vom klassischen Espresso über den deutschen Filterkaffee bis hin zum vietnamesischen Cà Phê Sua mit süßer Kondensmilch oder zu den Traditionen in Äthiopien, wo erst Weihrauch angezündet wird, bevor der Kaffee getrunken werden darf. Diese verschiedenen Kaffeevarianten und ihre Geschichten voller Legenden und Mythen sind der Ausgangspunkt für die australische Journalistin und Kaffee-Expertin Lani Kingston, sich des Themas publizistisch anzunehmen. In ihrem üppig bebilderten und schmuck aufgemachten Buch »In 80 Kaffees um die Welt« erzählt sie von der Geschichte des Kaffees und gibt zahlreiche Rezepte für Kaffeespezialitäten aus aller Herren Länder mit auf den Weg. Ein Kaffee-Reisebuch.
So unterschiedlich die Kaffeevariationen, die im Buch
dargestellt werden, so verschieden und wechselhaft ist auch die
Geschichte des Kaffees selbst. Gerade in Europa sind der Kaffeegenuss
und das Denken, Koffein und Lektüre eng miteinander verbunden. In Europa
wurde der Kaffee im 17. Jahrhundert eingeführt und breitete sich
parallel zum europäischen Rationalismus und zur Aufklärung aus. Der
Kaffee avancierte zum Lieblingsgetränk von Wissenschaftlern,
Intellektuellen und Angestellten. Das neue Bürgertum – Kopfarbeiter am
Schreibtisch – trank mit Vorliebe das schwarze Heißgetränk. Allerdings
passierte dies meist nicht in den eigenen vier Wänden, sondern in
ruhigen und achtbaren Etablissements zum Gedankenaustausch: Das
Kaffeehaus wurde zum Forum für Bildung, Information und Diskussion. Bald
wurde der Kaffee als Gegengetränk zum Alkohol betrachtet. Der Kaffee
ernüchterte, statt zu berauschen, und schärfte die Wahrnehmung, statt
die Sinne zu trüben und die Wirklichkeit einzunebeln. Bier war das
Getränk der einfachen Leute, der Kaffee hatte hingegen einen eigenen
Stand.
Die Wurzeln des Kaffees reichen zurück in das 15. Jahrhundert.
Ursprünglich kommt die Kaffeepflanze aus Gebieten des heutigen
Äthiopiens und Süd-Sudans. Kaffee als Getränk ist erstmalig im Jemen
nachgewiesen. Die Erfindung wird dem arabischen Gelehrten Mohammed
al-Dhabhani zugeschrieben, der um 1470 starb. In der arabischen Welt
fasste das Getränk schnell Fuß und ist dort auch heute noch weit
verbreitet, wovon Kingston ausführlich berichtet. Um 1510 war Kaffee
bereits in Mekka und Kairo heimisch. Für viele Muslime war er zur
Ersatzdroge des verbotenen Alkohols geworden. Der wachsende Konsum
brachte daher die Religionsgelehrten auf die Tagesordnung. Ist Kaffee haram?
Im Koran ist davon keine Rede, trotzdem wurde im Juni 1511 ein
Kaffeeverbot ausgesprochen. Es war der erste von mehreren Versuchen, den
Kaffeekonsum unter Strafe zu stellen – meist erfolglos. Auch in der
arabischen Welt war der Kaffee ein Sinnbild für Diskussion und
Gedankenaustausch – und wurde daher von Beginn an von den Obrigkeiten
misstrauisch begutachtet.
Vom Nahen Osten trat der Kaffee seinen Siegeszug nach Europa an. Auch dort wurde darüber gestritten, ob das Getränk im Christentum denn erlaubt sei. Papst Clemens VIII. soll kurz vor seinem Tod 1605 erstmalig Kaffee getrunken haben. Sein überlieferter Ausspruch lautet: »Es wäre eine Sünde, ein so köstliches Getränk den Ungläubigen zu überlassen.« Damit hatte das exotische Getränk in Europa kirchliche Weihen erhalten.
Von London aus entwickelte sich eine spezifische Kaffeehauskultur, die zu Zentren der politischen Debatte, der Diskussion und des Intellekts wurden. Das erste Kaffeehaus in London wurde 1652 eröffnet, 1663 gab es bereits 83, Ende des 17. Jahrhunderts sollen es 3000 gewesen sein. Später übernahmen dann die Niederlande das Kaffeemonopol. Die Bohnen wurden direkt nach Rotterdam geliefert und von dort aus weiterverteilt. Heute sind es vor allem die Kaffeehäuser in Wien und Paris, in denen sich weiterhin die Intellektuellen tummeln und Diskussionen stattfinden. Das Kaffeehaus ist weiterhin nicht nur der Ort des Kaffeeausschanks, sondern auch des Gesprächs und der Diskussion. Die Kaffeehäuser sind gewissermaßen die gesellschaftlichen Umschlagplätze für philosophisches, wirtschaftliches und politisches Gedankengut.
Kingstons Buch macht genau das deutlich: Kaffee ist mehr als lediglich ein Getränk, sondern bringt Menschen zusammen, initiiert Begegnungen und Beziehungen. Ob an der italienischen Espressobar, im syrischen Kaffeehaus oder beim karibischen Eiskaffee – auf der ganzen Welt ist die Kaffeekultur lebendig. Und an allen diesen Orten wird der Kaffee anders zubereitet. Von dieser Vielfalt erzählt Kingstons Buch, in dem für alle Weltregionen kurz erklärt wird, wie der Kaffee dorthin gekommen ist und wie er verarbeitet wird. Für jede Region folgen dann auch lokale Rezepte. Damit kann man sich dann ganz bequem einen indonesischen Kopi Rarobang (Ingwer-Nuss-Kaffee) oder äthiopische Kaffeebohnen mit Würzbutter (Buna Qalaa) kochen. Was nach der Lektüre auch klar ist: Beim nächsten Auslandsaufenthalt geht es nicht zu Starbucks, sondern zur Kaffeebar um die Ecke. Vielleicht lernt man dabei ja noch jemanden kennen.