Kader mit Mission

Erschienen in: Tagebuch 2/21

Die Schweizer Historikerin Brigitte Studer hat mit ihrem jüngst erschienenen monumentalen Buch Reisende der Weltrevolution wohl eine der wichtigsten Veröffentlichungen zur Geschichte des Kommunismus der letzten Jahre verfasst. In ihrer »Globalgeschichte« nähert sie sich der Kommunistischen Internationale (Komintern) nicht in erster Linie als Organisation, sondern über die Lebenswelten der beteiligten Akteure. Studer nimmt die Leserinnen mit in die faszinierende(n) Geschichte(n) der globalen Berufsrevolutionäre, die die Komintern in den lediglich 24 Jahren ihres Bestehens geprägt haben.

Anhand zahlreicher Biografien von Komintern-Mitarbeitern erzählt sie deren Geschichte: von Berlin über Moskau nach Taschkent, Wuhan und Schanghai. Studer zeigt mitreißend, wie die Revolutionäre transnational zusammenarbeiteten und wie sie immer wieder Grenzen überschritten, meist konkrete nationale Ländergrenzen, oft illegalisiert. Neben den räumlichen überwanden die Revolutionäre auch kulturelle Distanzen, führten vielfältige Beziehungs- und außerordentliche Lebensweisen. Studer beschreibt, wie viel Improvisation, aber auch Abenteuerlust die Reisenden der Weltrevolution begleitete.

Gegründet wurde die Komintern im März 1919 in Moskau. Studer weist auf ihre relative Offenheit zu Beginn hin. Zu den ersten Kongressen kamen Menschen aus Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Australien, die sowohl die ersten kommunistischen Parteien repräsentierten, aber auch antikolonialistische, antiimperialistische, anarchistische, syndikalistische, linksradikale und feministische Strömungen und Organisationen. Gerade für die Rolle der Frauen in der Komintern interessiert sich Studer. Sie zeigt, dass deutlich mehr Frauen in der Komintern gearbeitet haben, als die Geschichtswissenschaft bislang wahrgenommen hat. Jedoch waren sie – der offiziellen Gleichstellung der Geschlechter zum Trotz – nur in Ausnahmefällen in gehobenen Funktionen tätig.