Linke Kooperation ist der einzige Weg

Rezension des Sammelbandes “Where have all the Rebels gone in: contraste, Nr. 428, S. 15

Linke Bewegungen gibt es derzeit noch viele – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Doch diese Bewegungen haben gemäß Soziologe und Journalist Christopher Wimmer ein Problem: Allzu oft wüssten sie »nicht voneinander, stehen isoliert nebeneinander und können nicht auf gegenseitige Erfahrungen bauen«. Kurz, den Bewegungen fehle die gegenseitige Vernetzung und, daraus resultierend, das Nutzen und Stiften von Synergien. Das will Wimmer mit seinem Sammelband ändern. Er will damit ein »Gesprächsangebot« liefern und lässt Autor*innen zu Wort kommen, die sich zum einen theoretisch und historisch mit dem Thema beschäftigen, und zum anderen ganz praktisch als Aktivist*innen an verschiedenen Orten der Welt ihren Klassenkampf kämpfen.So enthält das Werk etwa Beiträge zu den Gelbwesten in Frankreich (geschrieben von Alèssi Dell’Umbria), zur EZLN in Mexiko (geschrieben von der EZLN selbst), zur antagonistischen Stadtpolitik in Deutschland (Sebastian Lotzer und das Bündnis »Zwangsräumung verhindern«) sowie historische Betrachtungen zu Klassenkämpfen, etwa 1917 in Russland (Detlef Hartmann) oder zur Sozialrevolution in Spanien 1936 (Astrid Schmeda). Die Beiträge zeigen, dass Wimmer einen Punkt getroffen hat: Mangelnde Vernetzung untereinander könnte auch den heutigen Bewegungen zum Nachteil gereichen. So schlussfolgert etwa Schmeda in ihrem Aufsatz, dass die einzelnen anarchistischen Gruppen, die 1936 in Spanien entstanden waren, zwar durch ihre internen kollektiven Strukturen mehr als nur ein paar Monate überdauern konnten, letztlich aber von der Übermacht spanischer Stalinisten zerschlagen wurden. Auch Hartmann argumentiert, dass nur die sozialen Bindungen, die aus »Egalitarimus und dem Grundsatz der kommunitären Versorgung« resultierten, es seien, die »dem mörderischen Zugriffen des Kapitalismus etwas entgegenzusetzen« hätten. Wimmers Abriss zur Historie der Antifa in Deutschland führt vor, wie sich wegen fehlender oder gar bewusst untergrabener Kooperation der verschiedenen Antifa-Gruppen untereinander bis dato nie eine geeinte Antifa bilden konnte – und wie diese internen Kämpfe beinahe das völlige Verschwinden der Bewegung nach sich gezogen hätten.

Kooperation statt Konkurrenz lautet also die Devise, oder: Kooperation ist der einzige Weg. Erkenntnisse, die doch eigentlich hinlänglich bekannt sein dürften. Betrachtet man aber die heutigen aktivistischen Szenen, so scheinen diese Erkenntnisse tatsächlich nicht verinnerlicht – und somit über ein Dasein als bloße Thesen nicht hinausgekommen zu sein. Es gibt keine »geeinte« linke Szene, die geschlossen für die Veränderung der Verhältnisse eintritt. Es gibt einzelne Gruppen, die sich zum Teil gegenseitig und, noch schlimmer, auch intern bekämpfen. Wimmers »Gesprächsangebot« scheint darum nötiger denn je.