Stiftung Drogentest

In Berlin gibt es ab jetzt einen Qualitätscheck für Rauschmittel.
Erschienen in Neues Deutschland vom 10.11.2018

Das ://about blank ist ein Clubkollektiv mit linksradikalem Anspruch im Osten Berlins. Regelmäßig ruft der Club zu Demonstrationen auf, beteiligt sich an antirassistischen und antisexistischen Bündnissen oder veranstaltet selbst politische Events. So auch am vergangenen Mittwoch. Wo ansonsten treibende Techno-Beats durch die engen Räume schallen, lud der Verein Helle Panke, die Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin zu einer Diskussionsveranstaltung ein, für die es wohl kaum einen besseren Ort, als einen Technoclub geben konnte. Es ging um das Drug-Checking-Projekt, dass in Berlin seit dem 1. November läuft. Und wie sonst an den Wochenenden war auch diesmal der Club voll. Am Einlass bildete sich eine lange Schlange.

Kein Wunder, dass das Interesse am Thema Drug-Checking so groß ist. Drogen gehören, trotz aller Kriminalisierung, immer schon zur Alltagskultur, nicht nur in Berlin. Illegalisierte Substanzen machen auch nicht zuletzt den Reiz für viele Tourist*innen aus aller Welt aus, in die „Partyhauptstadt“ Berlin zu kommen. Drogen sind hier häufig leicht zu bekommen.

Es gehe um die „Anerkennung der Realität“ des Konsums, so fasste Niklas Schrader, Drogenpolitischer Sprecher der LINKEN im Berliner Abgeordnetenhaus die Ausgangslage für aktuelle Initiative der rot-rot-grünen Koalition auf der Veranstaltung zusammen. Die Regierung hatte im Koalitionsvertrag ein Paket zur „Vermeidung der Begleitrisiken von Drogenkonsum“ angekündigt. Drug-Checking sollte ein Teil davon sein. Darunter versteht man die chemische Analyse von illegalisierten Substanzen, um potentielle Konsument*innen über die genauen Inhaltsstoffe aufzuklären. Dadurch kann für die Nutzer*innen genauer bestimmt werden, was in dem Pulver oder der Pille drin ist. Neben Verunreinigungen, beispielsweise durch Streckmittel, sind auch genaue Aussagen über den Wirkstoff und dessen Dosierung möglich. Dies findet statt in Kombination mit einer Aufklärung über die gesundheitlichen Risiken und Wirkungen und darüber, wie Folgeerscheinungen minimiert werden können. Auch Angebote zur Suchberatung soll es geben.

Um dies zu verwirklichen, stellt der Berliner Senat für das Modellprojekt in den Jahren 2018 und 2019 insgesamt 150.000 Euro bereit. Mit der Umsetzung beauftragt sind die Suchthilfeorganisation Fixpunkt, die Schwulenberatung Berlin sowie die ambulante Suchtberatung vista. Das Geld soll ausgegben werden für Personal-, Ausstattungs- und Laborressourcen. Ebenso soll eine Website erstellt werden, auf der Ergebnismitteilungen die Bekanntmachung des Angebots sowie das Beratunsangebot eingesehen werden können. Stephan Jäkel von der Schwulenberatung machte deutlich, dass die Träger dreimal soviel Geld gefordert hatten, gleichzeitig ist er froh, dass „erstmalig überhaupt Mittel freigegeben“ wurden.

Im Gegensatz zu anderen Drug-Checking-Methoden, die mobil und direkt auf Partys die Substanzen überprüfen, soll es in Berlin mit drei stationären Orten starten, zu denen die Nutzer*innen gehen können, um ihre Substanzen kostenfrei überprüfen lassen zu können. Nach einigen Tagen soll das Ergebnis vorliegen. Es gehe nicht darum, „den Konsum zu problematisieren“, so Jäkel, sondern darum, einen Anlaufpunkt zu bieten und Klarheit zu schaffen, was genau konsumiert werde.

Bevor es allerdings richtig los gehen kann, müssen die rechtlichen Fragen geklärt werden. „Aufgrund der geltenden Rechtslage kann das Projekt momentan nur mit einer Ausnahmegenehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel- und Medizinprodukte durchgeführt werden. Deshalb wird zunächst ein externes Gutachten zur rechtlichen Machbarkeit eines Drug-Checking eingeholt“, so Christoph Lang, der Pressesprecher der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. Dabei soll beispielsweise geklärt werden, wie zu verhindern ist, dass die Polizei vor den Standorten des Drug-Checking warte, um Passant*innen zu kontrollieren. Dies sei auch die größte Hürde, so erzählt eine potentielle Nutzerin. “Es müsste auf jeden Fall geklärt sein, dass man vor den Standorten nicht mit der Polizei zu tun haben wird”. Denn trotz Drug-Checking ist der Besitz von Drogen strafbar. Ab 10 Gramm Haschisch oder Marihuana kann in Berlin ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. „Wir müssen dahin kommen, dass die Polizei nicht von einem Anfangsverdacht ausgeht“, so Astrid Leicht von der Initiative Fixpunkt. Bis dies allerdings geklärt ist, ist es „noch offen, wann die erste Proben wirklich entgegen genommen werden können“, so ergänzt Leicht.

Bereits im Rot-schwarzen Senat war Drug-Checking vereinbart worden, wurde jedoch nicht umgesetzt. In der Rot-rot-grünen Regierung waren es dann auch vor allem Grüne und die LINKE, die das Thema nach vorne getrieben haben. Catherina Pieroth, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen ist daher erfreut über den Start der Initiative: „Drug-Checking stärkt den gesundheitlichen Verbraucherschutz und die Beratung über Konsumrisiken. Konsumierende können eine informierte Entscheidung über Konsum oder Konsumverzicht treffen“, so Pieroth. „Nur so können wir Menschen, die Drogen konsumieren, aufklären.“

Die Opposition sieht das Vorhaben kritisch. Florian Kluckert von der FPD teilte mit. „Es werden Unsummen von Geldern für Rechtsgutachten und Machbarkeitsstudien zur Cannabisfreigabe verschleudert, statt die Mittel für eine vernünftige Drogenprävention und Suchtmittelbekämpfung einzusetzen.“

Verschiedene Beispiele aus ganz Europa widersprechen dieser Sicht. Drug-Checking wurde bisher zum Beispiel erfolgreich in Österreich, den Niederlanden und der Schweiz durchgeführt. Anton Luft von der Wiener Initiative checkit berichtete via Videobotschaft auf der Veranstaltung davon, dass durch Drug-Checking die Substanzen reiner geworden seien und die Warnungen vor verunreinigten Substanzen helfen würden. Wo es bereits versucht wird, klappt Drug-Checking auch. Es ist gut, dass das Thema nun öffentlich angegangen wird.