Bezahl mich, Facebook!

Erschienen in Supernova

Bislang gab es noch keine Gesellschaft, die auch nur im Ansatz eine solche Menge an unterschiedlichen Daten über sich selbst und die Menschen in ihr zur Verfügung hatte wie die gegenwärtige. Mit dieser Quantität der Daten geht aber auch eine neue Qualität einher – die Vielfalt der verfügbaren Daten wächst schier grenzenlos weiter. Mit einer beispiellosen Intensität werden sie fortlaufend genutzt, um Informationen über Staaten, Institutionen aber auch Menschen zu generieren. Was bedeutet das für unser Leben?

Das Soziale ist mehr und mehr datenbasiert. Daraus ergeben sich ohne Zweifel große und großartige Möglichkeiten. Durch Smartphones, Tablets und Internet of Things-Geräte gehört die digitale Datenwelt zu unserem Alltag. Wir können dauernd und aktuell Preise vergleichen, Informationen selektieren, den schnellsten Weg von A nach B finden und dabei noch unseren Schlafrhythmus optimieren. Doch in diese Möglichkeiten der Rationalisierung und Verbesserung sind Widersprüche eingeflochten.

Um die Anwendungen in Echtzeit nutzen zu können, müssen sie laufend mit Daten gefüttert werden. Bei Amazon läuft dies über Rezensionen, bei Facebook und Twitter über Postings. Dabei verdienen aber nur die Unternehmen und nicht die, die die Daten zur Verfügung stellen. Es gibt dabei kein Mitspracherecht für die User*innen. Was die kommerziellen Betreiber der Plattformen am Ende das Tages mit den Daten machen, liegt nur in ihren Händen, sie billigen ihren Nutzer*innen keine Mitbestimmung zu.

Dabei hinterlassen wir im gesamten Netz andauernd Spuren – über Emails, Fotos, wenn wir Suchmaschinen bedienen oder Anwendungen nutzen. Würde man alle Daten, die wir weltweit als Texte und Bilder, in Form von Statusmeldungen oder Bewegungsprofilen produzieren, auf CDs speichern, wäre der Stapel vier Mal so hoch wie der Eiffelturm – tagtäglich. In nicht mal einem Jahr hätte dieser Stapel den Mond erreicht. Mit dieser unvorstellbaren Masse an Daten lässt sich viel Geld verdienen.

Im sich scheinbar mehr und mehr digitalisierenden Kapitalismus und in der ebenso scheinbar kostenlosen Welt des Word Wide Webs sind unsere Daten eine Art Währung geworden – der Treibstoff, mit dem das System läuft. Das funktioniert so gut, dass Facebook und Google den Zugang zu ihren Plattformen sogar ohne das Eintreiben von digitalen Mautgebühren frei zur Verfügung stellen können. „Facebook ist und bleibt kostenlos“ – dieser Satz steht groß auf der Anmeldeseite des sozialen Netzwerks und ist ein politisches Statement. Facebook wolle „einen kostenlosen (free) Dienst anbieten, den sich jeder leisten kann“. Und trotzdem erreicht Facebook mit nur wenigen tausend Mitarbeiter*innen einen Firmenwert im 12-stelligen Bereich. Unseren Daten sei dank, am Ende bezahlen doch wir.

Wenn wir schon weite Teile unserer Privatsphäre aufgeben, warum dann nicht wenigstens gegen Geld?

Warum sollte im Gegenzug die kalifornische Firma ihre Nutzer*innen nicht für die Preisgabe ihrer Daten entlohnen? Wenn wir schon weite Teile unserer Privatsphäre aufgeben, warum dann nicht wenigstens gegen Geld? Dafür bräuchte es einen erweiterten Begriff von Arbeit. Wenn man die Generierung von Daten als Arbeit interpretiert, dann läge das Verwertungsrecht über die Daten zunächst bei den Nutzer*innen, die sie hergeben. Die Plattformen müssten sie bezahlen. In dem Ende 2017 erschienenen Artikel Should We Treat Data as Labor? Moving Beyond ‚Free‘ diskutieren US-amerikanische Forscher und Microsoft-Mitarbeiter genau diese Frage. Die Plattformbetreiber agiere wie „Lehnsherren“ in einem neofeudalen System, so die Autoren. Dies müsse sich ändern. Soziale Netzwerke, so argumentieren sie, müssten als Datenarbeitsmarkt verstanden werden, auf dem die Nutzer*innen für ihre „Datenarbeit“ entlohnt werden. Ziel wäre es, sich jede Information, die man auf Facebook oder Twitter teilt, von den Unternehmen bezahlen zu lassen. Dafür braucht es aber politischen Willen – und Macht.

Davor geht es daher darum, Bewusstsein zu schaffen, dass durch unser Klicken, durch unsere Daten ordentlich Schotter gemacht wird. Tagtäglich helfen wir durch unser Verhalten den Tech-Firmen, dass ihr Kontostand weiter wächst. Ebenso steht das Thema Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung auf der Tagesordnung – ein Feld, das die (radikale) Linke bisher sträflich vernachlässigt hat.

Darüber hinaus gibt es erste Bestrebungen und Ansätze mit Daten gemeinwohlorientiert umzugehen. Dahingehend haben sich erste digitale Genossenschaften gegründet, die sich von regulären Start-Ups und Plattformen dadurch unterscheiden, dass sie demokratisch kontrolliert werden und sich am gemeinsamen Eigentum der Mitglieder auszeichnen – die Gelder werden an die Mitglieder der Genossenschaft ausgeschüttet, die Daten nicht profitorientiert verwertet. Im Gespräch mit der Zeitschrift „OXI – Wirtschaft anders denken“ erläutert Ela Kagel, die Geschäftsführerin des SUPERMARKT, eines Projektraums für digitale Kultur und kollaborative Ökonomie, das Konzept und stellt einige Initiativen vor:

  • Resonate Music versucht ein solidarisches Spotify aufzubauen,
  • Smart Coop hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Lebenssituation prekär Beschäftigter zu verbessern,
  • Fairmondo ist ein fairer Marktplatz – in Gegnerschaft zu den kommerziellen Amazon und Ebay,
  • Rethink Coop ist eine Hamburger Plattform, auf der sich Geflüchtete zusammengeschlossen haben, um in der Kinderbetreuung zu arbeiten

Sie alle verstehen sich als Alternativen zu herkömmlichen Start-Up-Unternehmen. Darüber hinaus geht die Seite buytwitter.org, die sich zum Ziel gesetzt haben, Twitter in eine Genossenschaft zu verwandeln. Mit Fragen, wie sich Plattformen und Tech-Unternehmen verstaatlichen oder demokratisieren lassen können, muss sich die Linke in den kommenden Jahren beschäftigen. Es gibt vielfältige subversive Möglichkeiten, sich gegen den datengetriebenen Kapitalismus zu wehren. Also: Auf, auf zum digitalen Klassenkampf!