»Heil Furia«

In Berlin hat sich eine neue Burschenschaft gegründet – nur für Frauen
Erschienen in Neues Deutschland vom 23.05.2018

Das Bild auf der Facebook-Seite ist eindeutig: In einem Hinterraum einer Kneipe drängen sich rund ein Dutzend Menschen – alle des gleichen Geschlechts. Sie tragen blaue Mützen; über dem Hemd eine blau-weiße Schärpe und alle haben ein Bier in der Hand. Sie prosten sich fleißig zu. Die Uniform und das Setting lassen nur einen Schluss zu: Es handelt sich um eine Burschenschaft.

Der Schein trügt nicht, doch ein entscheidendes Detail ist anders: auf dem Bild befinden sich nur Frauen. Es handelt sich um die Burschenschaft »Furia zu Berlin«, eine Vereinigung, bei der nur Frauen Mitglied werden können.

Worum handelt es sich hier? Ein Ortsbesuch: Ende April 2018 ist die österreichische Autorin und Künstlerin Stefanie Sargnagel zu Gast in der Volksbühne Berlin. Sie liest aus ihren feministischen, politischen und satirischen Texten. Die Kombination dieser drei Elemente mag dann auch die Verbindung der 32-jährigen Sargnagel zum österreichischen Pendant und Vorbild der Berliner Burschenschaft Furia, der Burschenschaft Hysteria erklären.

Diese Burschenschaft trat im Januar 2016 im Rahmen einer Facebook-Seite erstmals an die Öffentlichkeit. Ebenso wie die Furia ist die Hysteria Männern verschlossen, tritt in der Öffentlichkeit geordnet und in Wichs auf – angelehnt an die rote Baskenmütze, das Markenzeichen Stefanie Sargnagel, trägt Hysteria rot. Sargnagel, die als Obfrau der »Akademischen Burschenschaft Hysteria zu Wien« fungiert, wurde bei ihrer Lesung in der Volksbühne von der Berliner Gruppe empfangen. Uniformierte Frauen der Furia saßen im Publikum und grüßten Sargnagel mit erhobener Faust und ihrem Gruß »Heil Furia.«

Nach dem Vorbild der Hysteria haben sich auch in der Bundesrepublik mehr und mehr solcher Burschenschaften, die ausschließlich Frauen zugänglich sind, gegründet. Ende November 2017 machte in München die Frauenverbindung Molestia den Anfang, nun also auch Berlin.

Die Burschenschaften agieren alle nach dem österreichischen Vorbild und erheben vergleichbare Forderungen. Sie stehen für das Matriarchat, wollen das Männerwahlrecht einschränken, fordern günstige Abtreibungen und eine Frauen- und Transgender-Quote von 80 Prozent in öffentlichen Ämtern – Männer sollten sich am besten sowieso aus der politischen Betätigung heraus halten. Diese Forderungen werden in eine lange Tradition gestellt: Anna Elisabeth Luise, Prinzessin von Preußen, die die Verbindung angeblich bereits 1812 in Berlin gegründet habe, sei berüchtigt für ihr Temperament und ihre Trinkfestigkeit sowie bekannt für ihre Salons gewesen, zu denen Dichterinnen, Denkerinnen und Politikerinnen aus ganz Europa einladen wurden, heißt es auf der Facebook-Seite der Furia.

In Anlehnung an die »urburschenschaftlichen Prinzipien der Allgemeinheit aller Frauen« fordert die Frauenverbindung nun das »goldene Matriarchat«.

Erstmalig in Erscheinung trat die Furia zu den Betriebsratswahlen. Bei den Aktionen sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass Männer »von Natur aus nicht für Berufe geeignet sind, die rationale Gedanken und Abstraktionsvermögen erfordern«. Nur im »trauten Heim kommen ihre Soft Skills gebührend zur Geltung.«

Satire soll dies alles nicht sein. Zwar gibt die Furia keine Interviews und steht auch nicht für Pressegespräche zur Verfügung, bei der Veranstaltung in der Volksbühne konnte man aber doch einen Eindruck von ihrer Arbeit und ihrem Selbstverständnis gewinnen. Am häufigsten fiel dort die Frage, ob die Furia eine feministische Burschenschaft sei. Mit großer Selbstverständlichkeit wurde diese Frage verneint. Die Furia sei die »traditionelle und konservative Kraft im Matriarchat« und setze sich für die Rückbesinnung auf die natürliche Geschlechterordnung ein. Weder sei man ein Satire- noch ein Kunstprojekt.

Die anachronistisch wirkende Ernsthaftigkeit, mit der die Furia ihre Politik betreibt, mag auf den ersten Blick absurd wirken. Doch die Erfahrungen der Hysteria in Österreich zeigen, dass ein solches Projekt durchaus erfolgreich sein kann. Die öffentliche Wahrnehmung und der Hass, der sich von rechter Seite gegen die Burschenschaft richtet, beweisen, dass hier ein Nerv getroffen wurde.

Denn die Kritik der weiblichen Burschenschaften richtet sich ja nicht nur gegen ihr männliches Pendant. Gerade in Berlin sind männliche Burschenschaften im Stadtbild nicht sichtbar und nur von marginaler Bedeutung. Nein, durch die völlige Umkehrung der Forderungen, wie »Männer an den Herd« würden Diskriminierungen angesprochen, die alltäglich in der Gesellschaft auftreten.

Sicherlich ist dabei Ironie und Satire – auch wenn die Furia dies vehement bestreiten würde – ein Ausdrucksmittel. Es bleibt jedoch spannend und abzuwarten, wie sich die Furia im feministischen Feld der Hauptstadt aufstellt, welche potenziellen Bündnispartner_innen sie gewinnt und welche Aktionsformen sie weiter betreibt.