Verrenkungen fürs autonome Jugendzentrum

Überall in Deutschland bemühen sich konservative Parteien um die Schließung von selbstverwalteten Treffpunkten

Erschienen in Neues Deutschland vom 20.12.2017Selten waren wohl so viele linke Aktivist*innen auf einer Sitzung des Gemeinderats in Mannheim wie Mitte Dezember. Einige hatten Yogamatten mitgebracht, natürlich zum Protest. Kurz vor 20 Uhr jubelten die rund 60 Menschen, als der Rat einen Antrag der CDU-Fraktion ablehnte. Die Christdemokraten hatten bei den Haushaltsberatungen gefordert, die städtischen Zuschüsse für das Jugendzentrum Friedrich Dürr (JUZ) zu streichen und ihm den Status einer selbstverwalteten Einrichtung abzuerkennen. Die CDU hatte den Antrag damit begründet, das JUZ sei ein Zentrum für »linksextreme Gewalttäter«. Konkret ging es um die Gruppen Offenes Antifaschistisches Treffen, AK Antifa Mannheim sowie den Verein Rote Hilfe, die das JUZ für Veranstaltungen nutzen.

Die Mehrheit des Gemeinderats folgte dem Antrag der Union allerdings nicht. Das seit 1973 bestehende und damit älteste selbstverwaltete Jugendzentrum Baden-Württembergs kann bleiben und weiterhin ein Ort sein, an dem »sich junge Menschen ohne Hierarchien sozial, kulturell und politisch engagieren können«, wie es in einer Stellungnahme der Aktiven des Jugendzentrums zum CDU-Antrag heißt.

Ähnlich wie dem JUZ Mannheim ergeht es aktuell dem Jugendzentrum Kornstraße in Hannover. Die Ratsfraktion der CDU hat Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) in einem Brief aufgefordert, den städtischen Zuschuss für die Kornstraße einzustellen. Die Begründung folgt dem gleichen Muster: Das Zentrum sei Anlaufpunkt für die linksextreme Szene. Auch hier wird der Verein Rote Hilfe als Begründung herangezogen, da er das Jugendzentrum regelmäßig für seine Beratungsarbeit nutze.

Henning von Stoltzenberg, Mitglied im Bundesvorstand der Roten Hilfe, hält die Aktionen der CDU für eine »politische Unverschämtheit«. Die Rote Hilfe würde immer wieder zum Anlass genommen, Jugend- zentren zu kriminalisieren. Doch, so von Stoltzenberg: »Wir machen Solidaritäts- und Grundrechtearbeit. Klar, das ist parteiisch links, aber legal.«

Doch nicht nur in in Bezug auf die Rote Hilfe stehen selbstorganisierte Zentren bundesweit in letzter Zeit vermehrt unter Druck. Auch in Berlin sind linke Jugendzentren akut bedroht. Den selbstverwalteten Zentren Potse und Drugstore in der Potsdamer-Straße droht die Schließung. Der Grund: Verdrängung. So ringen die Betreiber*innen seit einer saftigen Mieterhöhung 2015 um den Erhalt der Räume, Umzüge in ein Ersatzobjekt spätestens Ende nächsten Jahres scheinen unausweichlich.

Die Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg bemühte sich allerdings während der gesamten Krise um Unterstützung der Jugendzentren. Hier ist es ausschließlich die Bezirksfraktion der AfD, die den Zentren, die auch antifaschistische und antirassistische Arbeit leisten, die Finanzierung streichen will.

Und die Liste geht weiter: In Köln ist das Autonome Zentrum von Räumung bedroht, das autonome Zentrum KTS in Freiburg wurde im Sommer durchsucht und im Zuge des Verbots der Webseite linksunten.indymedia.org als »Hort linksradikaler Gewalt« bezeichnet. Ähnlich geht es Orten wie der Roten Flora in Hamburg, dem AJZ Chemnitz, der Rigaer94 in Berlin oder dem selbstverwalteten Zentrum Klapperfeld in Frankfurt am Main.

Für von Stoltzenberg sind all die Versuche konservativer Politik, selbstverwaltete Jugendarbeit zu kriminalisieren, Ausdruck eines Rechtstrends der gesamten Gesellschaft. Solche Kampagnen, gerade auch angeleitet von der CDU, träten »wellenartig« auf. Aktuell sind infolge des G20-Gipfels in Hamburg nun wieder linke Projekte auf der Zielscheibe. Derzeit ermitteln nach Angaben der Hamburger Polizei 165 Beamte der Soko »Schwarzer Block« in rund 3000 Verfahren. In diesem Rahmen kam es vor zwei Wochen zu Razzien in Privatwohnungen und linken Zentren in acht Bundesländern. Dabei hoffte die Soko nachträglich Beweismittel vorzufinden.

Die Union begrüßt dieses Vorgehen. Für den stellvertretenden Vorsitzenden der Union-Bundestagsfraktion, Stephan Harbarth, seien »die Gefahren des Linksextremismus über Jahre verharmlost und kleingeredet worden«. Auch forderte er erneut die Schließung der Roten Flora. Ebenso einigten sich bei der letzten Innenministerkonferenz in Leipzig die Ressortchefs der Bundesländer zusammen mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), den »bundesweiten Kampf gegen Linksextremismus« zu verstärken.

Wie groß die Gefahr durch vermeintlichen Linksextremismus bei und nach G20 tatsächlich ist, zeigt die Antwort der Hamburger Innenbehörde auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion in der Bürgerschaft: Die Darstellung der Krawalle durch die Polizei lässt sich in wesentlichen Punkten nicht beweisen. So gibt es etwa keine Belege für die Behauptung, dass sich Gewalttäter auf Dächern versammelt hätten, um die Polizei mit Steinen oder Molotowcocktails zu bewerfen.

Neben diesen vermeintlichen Gewalttätern gibt es aber ganz konkrete: Laut Bundeskriminalamt wird in Deutschland im Durchschnitt fast jeden Tag ein Anschlag auf eine Asylbewerberunterkunft verübt. Die Union geht trotzdem den durch die AfD beförderten Rechtsruck mit und leistet damit der Kriminalisierung von selbstverwalteten Jugend- zentren Vorschub, die sich aktiv für Geflüchtete einsetzen.